Stellungnahme zur mehrheitlichen Entscheidung im Stadtentwicklungs- und Verkehrsausschuss vom 1.7.2020

Das Bündnis Bürgerbeteiligung Masterplan Neuenheimer Feld, das Mitglied im Koordinationsbeirat und im Forum ist, hat die Diskussionen, die intensive Arbeit und die Ergebnisse aus der Bürgerbeteiligung begleitet. Durch den Gemeinderatsbeschluss vom 23.7.18 wurde das Forum beauftragt, mehrere Entwicklungsvarianten der städtebaulichen Planungsbüros zu bewerten und dem Gemeinderat mehrere Varianten differenziert gewichtet zur Beschlussfassung vorzulegen.

Diesem Auftrag entsprechend empfiehlt das Forum das Team Höger, gefolgt von dem Team Astoc. Zusätzlich wurde die Variante „Seilbahn“ des Teams Heide als besondere Qualifikation genannt. Das Team Höger berücksichtigt auch als einziges Team die ebenfalls vom Gemeinderat beschlossenen Kriterien für einen nachhaltigen Planungsansatz, der in der Konsolidierungsphase weiterentwickelt werden soll.

Der Gemeinderat entscheidet über die Art und Zahl der Planungsansätze. Der jetzt im Stadtentwicklungs- und Verkehrsausschuss beschlossene Vorschlag, zwei Teams, nämlich Höger und Astoc, mit der Weiterentwicklung ihrer Planungsansätze zu beauftragen, entspricht den Gemeinderatsbeschlüssen von 2018, mit denen der Ablauf des Masterplanverfahrens bis in die Konsolidierungsphase hinein festgelegt wurde und den Empfehlungen des Forums.

Das Bündnis Bürgerbeteiligung Masterplan NHF unterstützt die Beauftragung der Teams Höger und Astoc zur Weiterentwicklung ihrer Entwürfe in der Konsolidierungsphase.

Der nachhaltigste Entwurf

Das Team Höger hat unter Beachtung und Einhaltung aller Vorgaben aus dem Gemeinderat, aus der Aufgabenstellung und aus der Bürgerbeteiligung einen besonders achtsamen Umgang mit Flächen gezeigt. Das FFH-Gebiet „Unterer Neckar“ und das Gewann Hühnerstein bleiben von den Planungen unberührt. Auch der Neckarbogen wird von Bebauung freigehalten. Städtebaulich und freiraumplanerisch ist der Entwurf sehr ansprechend und integrationsfähig – im Bestand, offen für weitere Ideen und für künftige Anforderungen. Der geforderte Zuwachs von 818 000 qm BGF ist untergebracht, sogar weit überschritten mit 1 137 500 qm, enthält den höchsten Anteil an Wohnen auf dem Campus
selber und dies bei der geringsten Baudichte. Das Verkehrskonzept, soweit es zu diesem Zeitpunkt schon ausgearbeitet sein kann, ist vernünftig, realisierbar in kleinen bezahlbaren Schritten. Im Mittelpunkt steht der ÖPNV, der Anteil an MIV wird deutlich verringert. Über eine Reduzierung der Parkplätze können neue Baufelder gewonnen werden.
Noch nicht vertieft untersucht wurden die Auswirkungen der städtebaulichen Entwürfe auf das Klima, auf potentielle Veränderungen von Kaltluftströmen, auf CO2 -Emissionen. Dennoch hat ein erstes stadtklimatologisches Gutachten im Vergleich gezeigt, dass der städtebauliche Entwurf des Teams Höger bei Hitzeperioden zu der geringsten nächtlichen Überwärmung führt und im Gegensatz zu dem Entwurf ASTOC auch tagsüber Extremtemperaturen vermieden werden können.

Schutz des FFH-Gebietes „Unterer Neckar“ und des Handschuhsheimer Feldes

Das Team Höger verzichtet als einziges Team auf eine Neckarbrücke, auf Bebauung des Hühnersteins und auf Zufahrten durch das Handschuhsheimer Feld.

Viele Gutachten und Umweltuntersuchungen haben gezeigt, dass das Naturschutzgebiet „Altneckar Heidelberg-Wieblingen“ durch den Bau einer Brücke gefährdet bis zerstört wird. Grundlegende Voraussetzung für die Genehmigung ist daher die Ausschöpfung aller sonstigen Maßnahmen zur Reduzierung des Verkehrs (MIV). Das sind verschiedene weiche Maßnahmen wie Parkraumbewirtschaftung und Stärkung des ÖPNV, aber auch ein Straßenbau (Nordzubringer) durch das Handschuhsheimer Feld, da dessen Schutzstatus im Vergleich geringer ist. Eine Brücke einzuplanen heißt also eigentlich, andere Maßnahmen wie den Nordzubringer vorzuziehen, um dann in ferner Zukunft eine möglicherweise genehmigungsfähige Brücke beantragen zu können. So heißt es folgerichtig in der Begründung zur Beschlussvorlage, „dass eine vertiefende Prüfung des Nordzubringers zurückgestellt wird“. Ein Nordzubringer bedeutet weitere Verringerung von Flächen und Umweltverschmutzung mitten im Handschuhsheimer Feld. Auch der Ausbau von Feldwegen für Busse als Vorstufe eines Nordzubringers ist abzulehnen.

Leider spielen Naturschutz und andere ökologische Kriterien in der Beschlussvorlage – trotz zahlreicher Gemeinderatsbeschlüsse zu Klima und Artenschutz – so gut wie keine Rolle.

So ist das angrenzende Handschuhsheimer Feld ein wichtiges Rückzugsgebiet für Tiere und Pflanzen und hat einen positiven Einfluss auf das Stadtklima, auf Naherholungsmöglichkeiten auch im Neuenheimer Feld. Mannigfaltige streng geschützte Vogelarten kommen hier vor. Das Handschuhsheimer Feld bildet durch seine Bewirtschaftungsweise, seine Lage und seine Qualitäten (fruchtbare Böden der Rheinebene) die Grundlage einer regionalen, ökologisch orientierten Versorgung.

Auch dass der Altneckar vom Wieblinger Wehr stromabwärts als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist, scheint für einige Planer des Neuenheimer Feldes in Vergessenheit geraten zu sein. Eine Flusslandschaft wie diese ist in weitem Umkreis einmalig; ähnliche Strukturen und Biotope finden sich erst wieder in weiterer Entfernung – an der Loire. Dieser Bedeutung trägt die Tatsache Rechnung, dass diese Auenlandschaft seit 2001 zusätzlich als NATURA 2000-Gebiet durch die FFH-Richtlinie (Flora-Fauna-Habitat) europaweit geschützt ist.

Die FFH-Richtlinie und das Bundesnaturschutzgesetz lassen Eingriffe nur in extremen Ausnahmefällen zu, „wenn es zu der geplanten Maßnahme keine Alternativen gibt“. Das gilt für jede Brücke. Auch eine Fahrrad-, eine Fußgänger- oder eine Straßenbahnbrücke würde die Auenlandschaft zerschneiden. Wir sehen Alternativen und die Notwendigkeit umzudenken. Die Naturschutzverbände und wir setzen darauf, dass die Gerichte auch zur „5. Neckarquerung“ diese Position teilen. In jedem Fall würde der juristische Weg einen Brückenbau gut und gerne um weitere 15 Jahre verzögern.

Hühnerstein und Flächenbedarf

Der Hühnerstein ist Reservefläche für die Universität und blieb 50 Jahre ungenutzt liegen. Es könnten durchaus weitere 50 Jahre vergehen. Der Hühnerstein ist aber auch die einzige Reservefläche für die Gärtner, und als solche derzeit nicht ungenutzt. Zwei private Parzellen werden bewirtschaftet, ein Verein hat sich mit großem Aussenbereich angesiedelt. Der Hühnerstein hat sich zum Biotop entwickelt, er schließt sich an den vielfach ausgezeichneten PH-Garten an und wird im gültigen Flächennutzungsplan unverändert als Grünfläche ausgewiesen. Wollen wir nicht lieber künftigen Generationen die Entscheidung über eine weitere Verwendung des Hühnersteins überlassen? Denn eines scheint klar: jetzt braucht die Universität ihn nicht und selbst die Teams Astoc, Heide und Moller stellen seine Bebauung zurück.

Der Hühnerstein ist der Schlüssel im Tor zum Handschuhsheimer Feld. Bei Bebauung nimmt der Verkehr zu, Straßen folgen, die Anbindung an den Campus muss ausgestaltet werden, grüne Übergänge in das Feld hinein erweitern den Raum des Campus und plötzlich sind wir nördlich des Klausenpfades und vergessen, so wie es bei der Straße Im Neuenheimer Feld gewesen ist, wo das Handschuhsheimer Feld tatsächlich beginnt. Der Hühnerstein und seine Umgebung verschmelzen mit dem Campus. Ein Stück Handschuhsheimer Feld weniger!

Außer dem Team Höger spielten alle anderen Teams schon frühzeitig mit dem verlockenden Potential des Hühnersteins, selbst wenn in der Konkretisierung viel Ernüchterung eintrat. Sich auf die Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans zu beschränken, fiel wohl schwer. So weichen diese Entwürfe hiervon ab und sind vom bestehenden Baurecht, das nicht infrage gestellt werden soll, nicht mehr gedeckt. Deshalb soll jetzt neues Baurecht für das Gebiet geschaffen werden. Das lehnen wir ab. Und auch der vorgeschlagene Bauflächentausch als neue Festsetzung im Vorgriff auf das neue Baurecht ist der erste Schritt in eine Zukunft, in der das Handschuhsheimer Feld in seiner jetzigen Nutzung kaum noch erhalten werden kann.

Das Team Höger sah nach gründlicher Prüfung von einer Überplanung des Hühnersteins ab. Die Forderung der Universität nach räumlicher Nähe ist bei der tatsächlichen Entfernung zu den sonstigen universitären Forschungseinrichtungen auf dem Campus nicht mehr gegeben. Da ist es, ganz entsprechend den Vorgaben, besser, den Zuwachs auf dem Campus selber unterzubringen – wenn möglich. Und es war möglich.

Das Baurecht der Universität, das sich auf dem Hühnerstein aus dem Bebauungsplan „Sport- u. Gesamthochschulflächen“ v. 1970 ergibt, wurde in der Rahmenvereinbarung so verankert:

„5) Die unbebaute Fläche am Hühnerstein ist Teil des Bebauungsplans „Sport- und Gesamthochschulfläche nördlich des Klausenpfades“ von 1970 und somit Bestandteil des Masterplanverfahrens. Die Flächen im Geltungsbereich dieses Bebauungsplans sind baurechtlich entwickelt und werden nicht in Frage gestellt.“

Dieses Baurecht bleibt auch dann unberührt und erhalten, wenn es nicht genutzt wird, wie es Jahrzehnte lang der Fall war. Die Behauptungen, dass eine mangelnde Neuplanung der Universität das Baurecht entziehen würde und dies gegen die Rahmenvereinbarung verstieße, sind nicht richtig. Ebenso bedeutet der Verzicht auf Neuplanung nicht einen Rückschritt in den Entwicklungsperspektiven der Universität und verstößt nicht gegen die Grundsätze des Masterplanverfahrens.

Die Schaffung neuen Baurechts, wie es für die Entwürfe der Teams Astoc, Heide und Möller notwendig wäre, würde die in der Rahmenvereinbarung festgehaltene baurechtliche Entwicklung in Frage stellen und damit nicht mehr der Rahmenvereinbarung folgen. Gleiches gilt auch für einen Bauflächentausch wie jetzt von den Projektträgern vorgeschlagen.

Der sich steigernde Flächenbedarf der Einrichtungen auf dem Campus, eingefordert, aber nie nachgewiesen, von anfangs 20-30 % über 100 % zu mittlerweile 125 % Zuwachs schlug sich in den Entwurfsplanungen nieder und sollte, durch die federführenden Beauftragung des Teams Astoc zur Grundlage für den Masterplan werden. Bei einer sehr hohen Verdichtung von 2,4 GFZ weist die Flächenbilanz von Astoc einen GF-Zuwachs von 940 000 plus eine ungenannte Zahl von Untergeschossen und 10 000 Parkplätze bis 2050 aus. Der Antrag auf Begrenzung des Flächenbedarfes auf die in der Aufgabenstellung beschlossene Zahl 818 000 qm BGF soll eine Verstetigung verhindern und verweist auf den gültigen Beschluss, der tatsächlich Grundlage für dieses Masterplanverfahren und für die Planungsentwürfe ist.

Der Gemeinderat hatte für das Masterplanverfahren einen weiteren klugen, vorausschauenden Beschluss gefasst. Dieser heißt: „Der zukünftige Flächenbedarf von Gartenbau, Landwirtschaft und Naturschutz ist in den angrenzenden Gebieten gleichberechtigt zu berücksichtigen.“ Dieser Beschluss ist bis heute nicht zur Anwendung gekommen, wurde noch nicht einmal andiskutiert. Es wäre sinnvoll, den künftigen Flächenbedarf des Naturschutzes im Bereich Alt-Neckar und im Handschuhsheimer Feld soweit vorhersehbar zu prüfen.

Zu Gartenbau und Landwirtschaft hieß es auf Nachfrage, die landwirtschaftlichen Flächen lägen außerhalb des Betrachtungsraums. Das ist richtig. Die Entwürfe würden die landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Flächen und deren Entwicklungsbedarf nicht beeinträchtigen. Das ist nicht richtig. Eine sinnvolle Bewirtschaftung der Äcker braucht bestimmte Voraussetzungen, die mit angrenzender dichter Bebauung und zu geringen Flächen nicht erfüllbar sind. Es gibt sehr strenge EU-Richtlinien und – Verordnungen, die beachtet sein müssen. Angaben hierzu ließen sich durchaus erheben.

Unsere Ackerflächen werden in Heidelberg kontinuierlich versiegelt, über Generationen hinweg vorab bestimmt durch Festlegungen, die keinem Landwirt mehr eine sichere Zukunft für seinen Betrieb ermöglichen. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Klimanotstand und auch Corona haben den lokalen Anbau von Lebensmitteln wieder stark in unser Alltagsleben zurückgeholt. Die Hofläden verzeichnen einen höheren Umsatz denn je, ein wörtlich blühender und krisenfester Wirtschaftszweig, der vor allem eins braucht: Fläche, ökologisch wertvolle Fläche. Die ist nicht vermehrbar, die ist aber auch nicht wiederherstellbar, wenn sie einmal versiegelt wurde. Ersatzflächen für Landwirte können nicht überall geschaffen werden; die Nähe zum Hof sollte gegeben, die Fruchtbarkeit der Böden vergleichbar sein wie auch die klimatischen Bedingungen.

Perspektiven

In der Konsolidierungsphase sollten

  • Klima- und Naturschutz und der Erhalt des Handschuhsheimer Feldes beachtet werden.
  • Wohnen für Beschäftigte und Studierende sollte auf dem Campus sein und nicht auf dem Hühnerstein: für kurze Wege und schnellen Wechsel zwischen Arbeitsplatz und Wohnstätte, für eine Verringerung des Pendlerverkehrs
  • Es soll geprüft werden, welche Änderungen sich durch die Erfahrungen in der Corona-Krise für die Wachstums- und Verkehrsprognosen ergeben.
  • Ein weiteres bauliches Wachstum kann nur in dem Maße erfolgen, wie zuvor die verkehrliche Situation verbessert wurde. Die zulässige GFZ im Neuenheimer Feld sollte abhängig sein von erfolgreichen Verkehrsmaßnahmen zur Reduktion des Autoverkehrs.
  • Die zu erwartenden zusätzlichen Belastungen, die durch Parkhäuser, Zufahrtswege, neue Verkehrsachsen usw. in den angrenzenden Stadtteilen entstehen und die Lebensqualität dort langfristig mindern, sollen untersucht werden.

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