Freiraum bei Büro ASTOC versus Büro Höger

Arbeitsgrupppe Freiraum (Heike Sauer, Ingrid Herrwerth, Inge Winkler-Hansen)
Artikel herunterladen

Freiraum ist für Nutzer*innen des Neuenheimer Feldes sehr wichtig. Dem Büro Höger wird vorgeworfen, dass es zu dicht bauen möchte und damit den Freiraum vernachlässigt.

Deshalb haben wir etwas genauer in die Pläne der beiden, im Rennen um den Masterplan verbliebenen, Büros geschaut. Alle Aussagen basieren auf öffentlich zugänglichen Plänen vom Ende der Atelierphase. Leider können wir den Planungsfortschritt während der Konsolidierungsphase nicht beobachten. Das Verfahren läuft jetzt konkurrierend und ein Blick über die Schulter der Planer wird uns deshalb verwehrt.

Definition von Freiraum

Damit wir wissen, was unter Freiraum zu verstehen ist, hier zunächst eine Definition (Quelle https://de.wikipedia.org/wiki/Freiraumplanung)

Freiraumplanung ist der planerische Umgang mit unbebauten, offenen Flächen (Freiflächen) im urbanen Raum. Sie umfasst eine Teilaufgabe von Landschaftsarchitektur. Ihre Leistungen bestehen in der Planung ästhetisch, ökologisch und sozial konsistenter Freiraumstrukturen im impliziten Zusammenhang mit urbanen und suburbanen Strukturen. Sie ist damit ein Teil der Stadtplanung. Ihre gesetzliche Aufgabe wird durch die Ziele der Raumordnung und der Bauleitplanung unter Berücksichtigung des Natur- und Umweltschutzes begründet. Historisch beruht sie auf der städtischen Grünplanung (künstlerischer Städtebau und rationalistische Stadtplanung) und der regionalen Landschaftsentwicklung (Landesverschönerung und Landschaftsplanung). Mitunter wird der Begriff der Freiraumplanung auch synonym zu „Landschaftsarchitektur in der Stadt“ verwendet.

Freiraumplanung bemüht sich auf allen für den Siedlungsbereich wichtigen Ebenen der räumlichen Planung, um ein ausgewogenes Verhältnis von Siedlungsfläche und Freiräumen. Sie dient:

  • der Gestaltung von öffentlichen oder privaten Erholungsflächen, wie Parks, Gärten usw.
  • dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen
  • der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes
  • den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Menschen

Ergänzend zu der allgemeinen Definition aus Wikipedia lohnt es sich, die Einführung zum Themenfeld 3 „Freiraumkonzept“ aus der Online-Beteiligung (Stufe 3, durchgeführt vom 9. bis 28. Juli 2019) zu lesen:
„Die künftigen Anforderungen der verschiedenen Nutzer des Gebietes Im Neuenheimer Feld / Neckarbogen werden aller Voraussicht nach zu einer Verdichtung im Gebiet führen, welche den Bedürfnissen nach öffentlichem Freiraum entgegenstehen . Es gilt Aussagen darüber zu treffen, wie bestehende Freiräume gesichert und qualifiziert werden können, wie Grünräume stärker miteinander vernetzt werden können und wie die Aufenthaltsqualität im Gebiet erhöht werden kann. Darüber hinaus sind die Bedürfnisse der Patienten des Klinikums nach Ruheräumen mit einzubeziehen. Der öffentliche Raum als Ort der Begegnung ist zu schützen und aufzuwerten.“

Da trotzdem nicht klar ist, was unter Freiraum verstanden wird, hier die Frage eines Teilnehmers aus der Online Beteiligung: “Wie kann der unspezifische Begriff Freiraum qualifiziert werden (Naturräume sind kein Freiraum erst recht nicht ein Naturschutzgebiet) – sind Parkplätze Freiräume?“

Wir haben uns im Zusammenhang mit unserer Analyse umgeschaut, wie in anderen Städten mit Freiraum umgegangen wird. Auf dem “Zukunftskongress zur langfristigen Siedlungsentwicklung in München“ am 8. November 2017 hat z.B. Prof. Undine Giseke (Technische Universität Berlin, Fachgebietsleiterin Landschaftsarchitektur Freiraumplanung), zum Thema „Freiraum und öffentlicher Raum in der dichten Stadt“ referiert und dabei einige interessante Aspekte aufgegriffen:

  • Der Israelsplatz in Kopenhagen ist ein Beispiel dafür, dass Freiraum in einer verdichteter Stadt mehr als nur eine Funktion haben muss. Der besagte Platz dient als Schulhof, Basketballfeld, hier werden Flohmärkte und Sportturniere abgehalten.
  • Auch Straßenflächen sollten nicht nur den Autofahrern zur Verfügung stehen, sondern auch anders genutzt werden können, z.B. für den sogenannten „Parking Day“
  • Man kann Freiraum auch „stapeln“. In Kopenhagen wurde ein Sportplatz auf dem Dach eines Parkhauses eingerichtet.
  • Der Freiraum sollte sich an den Klimawandel anpassen. Nicht nur sollte das Regenwasser gespeichert und zur Bewässerung von Grünflächen genutzt werden. In Kopenhagen wurden beispielsweise Betonbecken für Skater angelegt, die nach Starkregen zu Wasserbecken werden und die Stadt vor Überflutung schützen.

Weiter haben wir uns über folgende Punkte Gedanken gemacht:

  • Während der Corona-Pandemie (einer Situation, die sich wiederholen kann), zeigt es sich, dass neben Bürogebäuden leicht erreichbare Freiräume, in denen sich Mitarbeiter und Gäste auf Abstand treffen können, wichtig sind.
  • Im Neuenheimer Feld stehen viele alte Bäume, die durch die geplanten Bauprojekte und Umgestaltungen des Neuenheimer Feldes gefährdet sind. (Dies wurde auch kürzlich von Naturschützern thematisiert und soll weiter dokumentiert werden.)

Was finden wir in den Plänen?

Folgende Grafik befindet sich in den Plänen des Büros Höger zum Thema „Ökologischer Freiraum“ (Seite 2):

In den Erläuterungen von Höger dazu steht u.a. auf Seite 12 und 13:

„Die Freiflächen im Campus werden zu Parks und Gärten mit Seen und Teichen aufgewertet und je nach Cluster unterschiedlich thematisiert und/oder aktiviert. Die existierenden und neuen Parks bieten eine Bandbreite an ruhigeren Zonen zur Entspannung und aktiveren Areale für Freizeit- und Kulturaktivitäten.“.

„Die Parks, Gärten und Plätze werden mit einem feinmaschigen Netzwerk aus grünen Korridoren, Alleen und Pfaden untereinander sowie mit dem Neckarufer, dem Handschuhsheimer Feld und der Berlinerstrasse verbunden. Damit wird ihre Ökosystem-, Biodiversitäts- und Belüftungsfunktion gestärkt.“

Folgende Grafik zum „Freiraumverbund“ findet sich in den Plänen von ASTOC auf Seite 3:

In den Erläuterungen bei ASTOC steht dazu u.a. auf Seite 9:

„Durch das Prinzip der Quartiere werden die heute teilweise schwer lesbaren Freiräume zu einem einfachen System zusammengeschlossen [..]“. Der Freiraumgrid bietet zudem zahlreiche Freiflächen an, die neben den stadtklimatischen Funktionen der dezentralen Regenwasserbehandlung und als natürliche Aufenthaltsbereiche dienen, aber auch Nutz- und Versuchsflächen sein können.“

„Dieser Freiraumverbund vernetzt den Campus ganz selbstverständlich mit der Stadt: Immer wieder über großzügige Anschlüsse an das Neckarufer – den sogenannten Passagen – und von dort auf weiterverbindende Brücken. Ebenso zu den Sportanlagen im Norden und das Handschuhsheimer Feld und über die Berliner Straße nach Neuenheim.“

Vergleichend fällt auf, dass das Büro Höger mehr, aber dafür kleinere Grünflächen vorsieht, so dass diese pro Cluster schneller erreichbar sind. Insgesamt nennt Höger folgende Parks/Grünflächen (ohne Zoo, Schwimmbad und botanischer Garten):

  • MPI Park
  • Universitätspark
  • Klinikpark
  • Learnpark
  • Innovationspark
  • Gesundheitsfeld
  • Neckarpark
  • Garten Alte Chirurgie

Bei ASTOC werden lediglich folgende Parks dargestellt:

  • Quartierspark
  • Klinikpark
  • Grünes Forum
  • Uferpark

Interessant ist auch, dass das Büro Höger bei der „Klimaökologischen Analyse und Bewertung“ wesentlich besser abgeschnitten hat als ASTOC. Es wurden alle vier Büros verglichen.

  • Die nächtliche Temperatur ist bei Höger am geringsten (Platz 1), bei ASTOC am zweithöchsten (Platz 3).
  • Die Tagestemperatur ist bei Höger am zweitgeringsten (Platz 2), bei ASTOC am höchsten (Platz 4).

Welche Aspekte sind für uns wichtig?

Folgende Tabellen enthalten einen Vergleich der für uns wichtigen Aspekten bei der Freiraumplanung.

Außerhalb bzw. im Grenzbereich des Neuenheimer Feldes

Kriterien ASTOC Höger
Flächenversiegelung Hühnerstein ja, 50% nein
Neckarufer
Übergang – Gestaltung sanfterer Übergang höhere Gebäude
Bebauung nicht so hoch und dicht Übergang nicht so fließend
60 m-Linie nicht verletzt verletzt – in geringem Ausmaß
Neckarbrücke ja nur als Option
Aufenthaltsqualität Wieblingen Beeinträchtigung durch Brücke und Straße wenn die Brücke nicht kommt, keine Beeinträchtigung
Handschuhsheimer Feld
Hühnerstein soll inklusive Flächentausch bebaut werden Bebauung im ersten Entwurf nicht vorgesehen
Übergang – Gestaltung durch die Bebauung werden beim Hühnerstein harte Kanten entwickelt, teils ragt die Bebauung direkt an den Klausenpfad harmonischerer Übergang durch Grünflächen südlich des Klausenpfads
Zoo Verlagerung keine verschieben der Zoogrenze in geringem Umfang
Sportanlagen werden tangiert, deshalb Bebauungsplan Sportanlangen kein Eingriff
Schwimmbad kein Eingriff kein Eingriff

Innerhalb des Neuenheimer Feldes

Kriterien ASTOC Höger
Sichtachsen/Durchlässigkeit 3-4 direkte Achsen 1 Achse
öffentlich/halböffentlich Räume 4 größere Plätze/Parks ca. 8 parkähnliche Strukturen
Grünflächen Grünflächen im nördlichen Bereich bzw. in einzelnen Quartieren gering Grün in jedem Quartier vorhanden, kleinräumig hohe Aufenthaltsqualität
zentrale große Plätze ja nein
Ruheräume auf großen Plätzen direkt in den kleinteiligeren Quartieren
Bezug zum Landschaftsbild Feld beide Teams bieten Regionalmarkt an, spezifische Gestaltung im Kontext zum Feldcharakter nicht erkennbar
Erhalt von Grünstrukturen ja: Altbestand Bäume, Stadion, Arboretum ja: Stadion, Arboretum
Biodiversität hier sind keine großen Unterschiede erkennbar

ASTOC: positiv im Neckarbogen, negativ Brücke

Höger: durch die Verteilung von kleinflächigeren Freiräumen über das gesamte Planungsgebiet und der Vernetzung dieser Grünflächen, kann sich Biodiversität besser entwickeln.

Klimaökologische Auswirkung hier mehr negative Einflüsse, Freiraum puffert weniger ab kleinräumige Grünflächen, Nichtbebauung Hühnerstein wirken sich positiv aus

Artikel herunterladen