Biodiversität und ökologische Bedeutung des „Hühnerstein“

In der Novelle des Naturschutzgesetzes hat der Baden-Württembergische Landtag im Juli 2020 das Land gleich im §1a verpflichtet „dem Rückgang der Artenvielfalt in Flora und Fauna und dem Verlust von Lebensräumen entgegenzuwirken sowie die Entwicklung der Arten und deren Lebensräume zu befördern“. An diesem Anspruch müssen sich daher auch zukünftige Eingriffe in wertvolle Biotope messen.

Blaumeise

Blaumeise, Foto: Elke Koppert

Grünspecht

Grünspechte, Foto: Regine Buyer

Als Teil des Handschuhsheimer Feldes mit seiner kleinteiligen Flächenstruktur liegt das Gewann Hühnerstein in besonders exponierter Lage an dessen Südwestrand. Es grenzt direkt an die Bebauung im Neuenheimer Feld und soll nach den Plänen des Landes Baden-Württemberg aufgrund eines Bebauungsplans aus dem Jahre 1970 der Erweiterung der dortigen wissenschaftlichen Einrichtungen zum Opfer fallen.

Dagegen wehren sich vehement die im Bündnis Masterplan Neuenheimer Feld organisierten Verbände, denn dieses Gewann stellt ein ideales Rückzugsgebiet für viele Tierarten dar, die in der dichtbesiedelten Metropolregion immer weniger Lebensräume finden. Der inzwischen über ein halbes Jahrhundert alte Bebauungsplan steht auch in krassem Gegensatz zum zitierten neuen §1a des Landesnaturschutzgesetzes.

Rotkehlchen

Rotkehlchen, Foto: Ingrid Herrwerth

Innerhalb des „Hühnerstein“ sind zum einen im östlichen Teil die vorhandenen baumbestandenen Grünflächen – eingerahmt von Gehölzriegeln und Hecken – von hoher Bedeutung für dessen Biodiversität. Viele alte Obstbäume stellen ideale Habitate für Insekten, Fledermäuse und Brutvögel dar. Im Bereich der Aufschüttung im nordöstlichen Teil, die vor über 20 Jahren angelegt wurde, hat sich mittlerweile eine dichte Baum- und Strauchvegetation etabliert mit Eintrag verschiedener Blütenpflanzen, auch junge Waldkiefern und Eiben sind anzutreffen. Aber auch die Sportgelände an der südwestlichen Ecke des „Hühnerstein“, die überbaut werden sollen, sind ökologisch sehr wertvoll. In den über 55 Jahren ihres Bestehens sind auf diesen Flächen über 50 großkronige Laubbäume gewachsen – darunter Stieleichen, Zerr-Eichen, Linden, Feldahorn und eine größere Gruppe Eschen. Bereits einer Verbreiterung des Klausenpfades müssten viele dieser Bäume weichen. Die großkronigen Bäume fallen zudem unter die Richtlinien der in Heidelberg geltenden Baumschutzsatzung und genießen daher ganzjährigen Schutz. Hinzu kommt am östlichen Rand zwischen Sport – und Tennisplätzen ein ca. 15x100m breiter Feldgehölz-Gürtel mit Hainbuchen, Weiden Pappeln, Hartriegel und anderen Sträuchern, der Lebensraum und Rückzugsgebiet für Heckenbrüter, Eichhörnchen, Hasen u.a. Tierarten bietet. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass sich im Gewann Hühnerstein bislang keine invasiven Neophyten angesiedelt haben, die an vielen Stellen in Heidelberg inzwischen dominieren und einheimische Arten verdrängt haben. Erfahrungsgemäß werden invasive Arten im Zuge von Bauarbeiten über die Reifen von LKW, Schaufelbaggern und Raupen eingeschleppt.

In den Jahren 2015-2019 haben Ornithologen des NABU die Vorkommen der Vogelarten im Gewann Hühnerstein bestimmt. Die Auswertung der Daten zeigt eine reichhaltige Vogelwelt mit insgesamt 34 nachgewiesenen Brutvogelarten, die auch auf das gute Nahrungsangebot an Insekten zurückzuführen ist. Insekten wiederum sind auf nektarliefernde Blütenpflanzen angewiesen.

Zusammenfassend erfüllt das Gewann Hühnerstein alle Kriterien für ein in seiner Gesamtheit schützenswertes Gebiet, das außerdem ein wichtiges Glied im Biotopverbund zwischen dem Natura2000 Gebiet „Altneckar-Wieblingen“ und den Hängen des Odenwaldes an der Bergstraße darstellt.

26.4.2021 (Rainer Zawatzky, BUND-Kreisgruppe Heidelberg)

Weitere Informationen finden Sie hier:
Vogelarten im Masterplan NHF-Gebiet „Hühnerstein“
Vogelbeobachtungen verschiedener Ornithologen2016 – 2020 im Gewann Hühnerstein – Neuenheimer Feld

Interessant ist dazu auch dieser RNZ-Artikel vom 1.6.2021: Warum der Uni-Campus nicht ins Handschuhsheimer Feld erweitert werden soll