Spitzenforschung und Spitzengemüse

Der Wandel des Bauerndorfes Handschuhsheim zum Stadtteil von Heidelberg begann deutlich mit der Eingemeindung zu Beginn des vorletzten Jahrhunderts. Damit war ein steter Verlust von landwirtschaftlicher Fläche verbunden.

Es begann mit den baulichen Erweiterungen Richtung Neuenheim am Hang und in der Ebene mit anspruchsvollen Einzelhäusern. Dann ab der 20er Jahren entstanden das Musikerviertel mit Bach-, Beethoven- und Wagnerstraße, die Siedlung westlich der Zeppelinstraße, die Blaue Heimat und der Atzelhof. Am Westrand wurde der Neckarkanal gebaut, der viele Hektar Ackerland kostete. Gleichzeitig wurde im Feld die Nutzwasserversorgung installiert, die heute 14 km Wasserleitung umfasst, so dass intensiver Gemüsebau betrieben werden konnte, einhergehend mit dem Aufbau der ersten Treibhäuser.

Nach dem zweiten Weltkrieg erfolgten die Erweiterungen westlich der Rottmannstraße und der Dossenheimer Landstraße. Ein ganz großer Brocken war die Bebauung des Langgewanns. Alles auf Kosten von wertvollem Garten- und Ackerland. Vieles wurde mitgetragen und als letzte Ernte eingefahren von den früheren Eigentümern der Grundstücke.
Das passte noch zum Strukturwandel, der sich im Stadtteil vollzog.

Nach dem Krieg war Handschuhsheim fast noch ein Dorf, geprägt von Landwirtschaft und intensivem Gartenbau. Fast jeder hatte ein Grundstück zur Selbstversorgung. Das änderte sich allmählich: Aus Landwirten wurden Gärtner, die ins Feld siedelten, Haupterwerbsbetriebe wandelten sich zum Nebenerwerb, die Selbstversorger wurden immer weniger: Eine Alterserscheinung.

Vom Neuenheimer Feld, das bald kein Feld mehr war, schob sich immer mehr Bebauung durch Auslagerungen und Neugründungen von Universitätsnutzungen und Kliniken Richtung Handschuhsheimer Feld, bis bald die alte Gemarkungsgrenze, die Verlängerung der Blumentalstraße – heute bemerkenswerterweise die Straße „Im Neuenheimer Feld“- überschritten, und schließlich der Klausenpfad erreicht war, schon vorbereitet durch vorsorgliche Grundstücksaufkäufe durch das Land.

Und dann kam die für damalige Zeiten konsequente Planung für den Autobahn-Zubringer Nord quer durch das Handschuhsheimer Feld: Eine vierspurige Straße in der Verlängerung der Berlinerstraße aus Richtung Brücke mit einem Kleeblatt am vierspurig geplanten Klausenpfad verbunden mit einer Brücke über den Neckar und einem weiteren Kleeblatt zur Anbindung an die Autobahn bei Dossenheim.

Da wachten die Handschuhsheimer auf.

Die Zerschneidung des noch über 200 ha großen Feldes wäre der Ruin des Profi- und Amateurgemüseanbaus in Handschuhsheim gewesen.
Es wurden aber auch die ebenso wichtigen anderen Qualitäten und besonderen Vorzüge des Feldes entdeckt:

  • Ausgleichsraum im Kleinklima als Frischlufterzeuger für die dicht bebauten angrenzenden Siedlungen,
  • ein zu Fuß bequem erreichbares Naherholungsgebiet,
  • Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen.

Der Zubringer und die damit geplante 5. Neckarbrücke in Verlängerung des Klausenpfades bis zur Autobahn am Rittel wurden nach zähem Ringen nicht gebaut.
Dennoch wurden Bürogebäude am Neckarkanal am Rande der Stadt, das Sportzentrum Nord und vor allen weitere neue Klinik- und Universitätseinrichtungen errichtet.

Und heute fehlt es vielen an Vielem: Den einen an Straßen und Brücken, den anderen an einem leistungsfähigen ÖPNV und an Bauflächen für den expandierenden Campus.

Deshalb beginnt jetzt der Planungsprozess für einen umfassenden Entwicklungsplan im Bereich des Neckarbogens, der sogenannte „Masterplan Neuenheimer Feld.“

Hauptanliegen in diesem Prozess muss sein, eine Änderung des Augenmerks zu erreichen:

  • Weg von dem begehrlichen Blick auf das Handschuhsheimer Feld und den Naturschutzgebieten am Neckar. Gartenland und FFH-Gebiete sind kein Bauerwartungsland!
  • Hin zu dem Potential, das als Reserven durch klimaverträgliche Nutzung von freien Flächen und Aufstockung von ein- und zweigeschossigen Gebäuden im Campus vorhanden ist
  • Hin zum Aufbau von leistungsfähigem und zukunftsweisendem ÖPNV
  • Hin zur Einbindung der Reserven in den Konversionsflächen der Gesamtstadt.

Es muss der Blick geöffnet werden für die Chancen, die die Neckarufer bieten als Verbindung und nicht als Trennung.
Dazu gehören eine neue Fahrradbrücke und die Möglichkeiten, die die Erneuerung des Stauwehrs bieten werden: Ein Brückenschlag für die Erweiterung des Campus in den Südwesten der Stadt!

Zurück zum Handschuhsheimer Feld: Es muss geschützt, aber auch verantwortungsvoll ökologisch weiterentwickelt werden.
Die Vielfalt ist das Ziel und nicht die Monokulturen, die sich mit Erdbeerplantagen und Maisfeldern von Norden aus hinein schieben, sowie der Ausbau zur biologischen Produkterzeugung.

Nur so kann überzeugend in den zukünftigen Auseinandersetzungen aufgetreten werden.

März 2018, Robert Bechtel