Für Wieblingen geht es um den Erhalt der Lebensqualität

Die Rahmenvereinbarung für den „Masterplan Im Neuenheimer Feld“ sieht u.a. die Prüfung einer fünften Neckarquerung zwischen Wieblingen und dem Neuenheimer Feld vor.

Der Widerstand gegen eine Brückenlösung regt sich in Wieblingen schon seit den 80er Jahren, als erstmals konkretere Pläne zur Neckarquerung bekannt wurden. So war die Brücke ein Teil des Themenkatalogs, der engagierte Wieblinger Bürger im Jahre 1984 zur Gründung der BUND-Ortsgruppe Wieblingen veranlasste (siehe RNZ-Artikel „Gegen Brücke und Müllverbrennung“ im Anhang). Immer wieder gab es Protestaktionen der Wieblinger, beispielsweise im Jahr 2001, als auf dem Wieblinger Neckarfest Unterschriften gegen das Bauprojekt gesammelt wurden (siehe RNZ-Artikel „Kerwe-Aktion gegen 5. Neckarbrücke“ im Anhang).

Demo vor dem Rathaus 2001
Demo vor dem Rathaus im September 2001, Foto aus der RNZ vom 28. September 2001

Im darauffolgenden Jahr stellte Universitätsdirektor Prof. Hommelhoff eine neue Version der Neckarquerung vor (eine Kombination aus Tunnel und Brücke) und zeigte sich dabei erstaunlich einsichtig gegenüber den Wieblinger Bedenken, indem er sagte, dass eine alles überspannende Brücke den Anwohnern in Wieblingen nicht zumutbar wäre (siehe Unispiegel).

Im Jahr 2005 wurde dann auf Grundlage eines Beschlusses im Gemeinderat ein Gutachten erstellt, um die Varianten einer verkehrlichen Erschließung des Neuenheimer Feldes zu prüfen. Dieses sogenannte „Schemel-Gutachten“, das von der Stadt in Auftrag gegeben wurde kam zu eindeutigen Ergebnissen. Eine Brücke durch den Stadtteil Wieblingen sowie das Naturschutzgebiet „Unterer Neckar – Altneckar HD-Wieblingen“, wäre die schlechteste aller untersuchten Varianten, sowohl für die Menschen als auch für die Umwelt. Präferiert und empfohlen wurde konkret eine durchgehend zweispurige Verkehrsführung auf bestehenden Verkehrswegen, der Ausbau des ÖPNV sowie u.a. die konsequente Parkraumbewirtschaftung im Neuenheimer Feld. Weiterhin wurde herausgestellt, das Brückenbauwerke in Naturschutzgebieten bzw. FFH-Gebieten rechtlich gar nicht zulässig sind.

Nachdem es über einen längeren Zeitraum schien, als ob das Projekt gestorben sei, hat die Diskussion um die 5. Neckarbrücke in den vergangenen Jahren, nicht zuletzt durch den „Masterplan INF“, wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Bei einer Diskussionsveranstaltung zu dem Thema am 9. März 2017 platzte das Wieblinger Rathaus aus allen Nähten. In der teilweise emotionalen Diskussion zeigten Bürger, dass sie keinerlei Verständnis für die Universität haben, die inzwischen rigoros auf einer Brückenlösung mitten durch das Wohngebiet beharrt (siehe RNZ Artikel).

Der Bezirksbeirat von Wieblingen – die politische Vertretung des Stadtteils – hat sich im Jahr 2018 einstimmig gegen die 5. Neckarbrücke ausgesprochen. Beim Stadtteilverein Wieblingen hat sich 2017 eine „Arbeitsgruppe Masterplan INF / 5. Neckarbrücke“ gebildet. Sie ist aktiv im Masterplanprozess involviert, fungiert als Anlaufstelle für den Widerstand gegen die Brücke und hält die Wieblinger über den Masterplanprozess auf dem Laufenden. Bei einigen Veranstaltungen der Gruppe wurden die Wieblinger gebeten, ihre Meinung zu dem Thema aufzuschreiben. Die Rückmeldung und der Zuspruch aus der Bevölkerung sind hier eindeutig.

Auswertung der Umfrage auf dem Wieblinger Weihnachtsmarkt
Meinungen Wieblinger Bürger, dargestellt als Wort Wolke, gesammelt auf dem Weihnachtsmarkt 2017

Würde eine 5. Neckarbrücke gebaut (deren Trasse mitten durch das Wohngebiet Wieblingen Süd und durch das Naturschutzgebiet am Altneckar führen würde), dann wäre das für Wieblingen der gravierendste Einschnitt seit dem Bau der A5. Der Stadtteil wäre damit von drei Seiten von 2 Autobahnen und der Zufahrt zum Neuenheimer Feld eingekesselt. Ganz zu schweigen von der zusätzlichen Belastung durch Lärm und Abgase.

In Wieblingen ist man seit der Veröffentlichung der Anforderungen der Projektträger des Masterplans INF verärgert darüber, dass rechts und links des Neckars mit zweierlei Maß gemessen wird. So wird z.B. betont, wie wichtig für den Campus die „Verbesserung der Aufenthaltsqualität“, „zu entwickelnde Sichtachsen“, „Bezüge zum lokalen Landschaftsbild, bspw. dem Neckarufer oder dem Handschuhsheimer Feld“ sind. Käme die 5. Neckarbrücke durch das Naturschutzgebiet und das Wohngebiet in Wieblingen, so würden gerade dadurch „Aufenthaltsqualität, Sichtachsen und Bezüge zum lokalen Landschaftsbild“ und vor allem die geschützte Auenlandschaft am Neckar zerstört. Und das nicht für Menschen, die sich nur zeitweise in diesem Gebiet aufhalten, sondern für Menschen, die dort leben.

Bei Spaziergängen und Freizeitaktivitäten am Ufer des Alten Neckars können die Wieblinger und alle Heidelberger Ruhe und Erholung finden. Gerade in Ballungsräumen wie der Rhein-Neckar-Region kommt unverbauter Natur eine wachsende Bedeutung für die städtische Lebensqualität und die Gesundheitsvorsorge zu.

Die Stadt Heidelberg engagiert sich auf überregionaler Ebene sehr für den Schutz unserer Natur, seit 2012 auch als Mitglied des Bündnisses „Kommunen für biologische Vielfalt“. In einem Video auf der Homepage der Stadt wird z.B. betont, dass es Heidelberg darum gehe, naturnahe Lebensräume zu erhalten und dafür zu sorgen, dass die natürliche Artenvielfalt erhalten bleibt – für Menschen, Tiere und Pflanzen. Der Bau eine Brücke durch das Naturschutzgebiet am Alten Neckar widerspricht diesem Ziel.

Ebenso stünde es im Widerspruch zu den Bemühungen der Stadt Heidelberg, dem „Masterplan 100% Klimaschutz“ gerecht zu werden. Darin hat sich Heidelberg verpflichtet, bis 2050 die CO2-Emission um 95% zu reduzieren. Passt das zu noch mehr Straßen und dem damit verbunden zunehmenden Individual-Autoverkehr?

Zusätzlich unterzeichnete OB Würzner im Mai dieses Jahres (2018) die „C40 Green and Healthy Streets Declaration“ und verpflichtete sich darin, dass die Straßen von Heidelberg ab 2030 frei von fossilen Treibstoffen sind. Heidelberg war die erste deutsche Stadt, die sich dieser Erklärung angeschlossen hat. „Auf diese Weise sollen die Luftverschmutzung bekämpft und die Lebensqualität aller Stadtbewohner verbessert werden.“ bekräftige unser OB (siehe Heidelberg unterzeichnet Klima-Deklaration) und weckte damit – auch in Wieblingen – die Hoffnung auf eine Verkehrsplanung, die diesen Visionen gerecht wird.

Der Bau einer 5. Neckarbrücke widerspricht eindeutig den hier propagierten Zielen.

Es vermag heute wohl niemand verlässlich zu prognostizieren, wie sich der Autoverkehr in Zukunft entwickelt. Aber vieles deutet darauf hin, dass der Trend hingeht zu neuen Mobilitätskonzepten, in denen der motorisierte Individualverkehr nicht mehr die Rolle spielt, die er heute einnimmt. Die Pläne zum Bau einer 5. Neckarbrücke stammen aus den autoverliebten 60er Jahren, als es noch erstrebenswert war, mit dem eigenen Auto von der Haustür zum Zielpunkt zu fahren. Die Prioritäten haben sich jedoch in den vergangenen fast 60 Jahren verschoben. In weiten Bevölkerungskreisen setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Mobilität der Zukunft vor allem umweltverträglich und nachhaltig sein soll. Das Umweltbewusstsein hat deutlich zugenommen. Gerade in 2018 sind Bienensterben, der Rückgang der Insekten und der Singvögel sowie die Dürre in den Sommermonaten und die daraus resultierende Angst vor den Folgen des Klimawandels in aller Munde. Zukünftige Stadtentwicklungen sehen die Straße nicht mehr als Hauptverkehrsträger und den individuellen Autoverkehr nicht als zentrales Fortbewegungsmittel. Vor diesem Hintergrund, der zukunftsweisenden Entwicklung des Neuenheimer Feldes wäre ein Verkehrskonzept, das dem Autoverkehr den roten Teppich ausrollt, nicht hinnehmbar.

Wieblingen fordert daher von Universität, Klinikum und Stadtentwicklungsamt mehr Flexibilität in der Standortfrage sowie umweltverträgliche, zukunftsweisende und menschenfreundliche Verkehrskonzepte, bei denen die Lebensqualität in den Stadtteilen, die an den Campus angrenzen, angemessen Berücksichtigung findet.

Anhang


Rhein-Neckar-Zeitung 10.Juli 1984


Rhein-Neckar-Zeitung 21. August 2001

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